Teamportrait der Mitarbeiter von Heyho
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Müsli mit Mehrwert

Menschen mit einem ungeraden Lebenslauf haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt. HEHYO möchte dagegen ein Zeichen setzen: Zum Team der Lüneburger Müsli-Manufaktur gehören ehemals Inhaftierte, Menschen mit Suchterfahrungen und seelisch Erkrankte. Für das wegweisende Konzept erhielt HEYHO den Sonderpreis Social Entrepreneurship im KfW Award Gründen.

HEYHO!

Sonderpreis Social Entrepreneurship beim KfW Award Gründen 2021 (Quelle: KfW/n-tv)

In der nüchternen Produktionshalle duftet es nach Kuchen. Das Müsli „Apfel Stroodle“ kühlt gerade aus. Romano steckt mit beiden Händen in den Himbeeren und mischt die nächste Sorte, bevor sie auf die großen Bleche und dann in den Röstofen kommt. Nebenan werden die Online-Bestellungen in die Kisten mit dem HEYHO-Logo gepackt. Aus dem läuft Radio Gute-Laune-Musik.

Dass Romano hier arbeitet, ist nicht selbstverständlich. Denn er hat eine bewegte Vergangenheit – Drogen, Straftaten, Gefängnis. Da wird man nirgends eingestellt, selbst wenn man das lange hinter sich gelassen hat. Romano hat aber vor zwei Jahren den Job bei HEYHO bekommen: „Die Arbeit und die Struktur helfen mir sehr, ich bin ausgeglichen und eigentlich richtig glücklich. Selbst mein Hund merkt, dass es mir gut geht“, sagt er.

Ein Team mit Vision

Eine Person mit Hygiene-Schutzkleidung packt Müsli in einen Karton

Um Verpackungen zu sparen, greifen viele Kunden bereits auf größere Mengen zurück, auch der Einzelhandel nimmt sie immer öfter in ihr Sortiment auf.

Stefan Buchholz, einer der Gründer von HEYHO, ist Sozialarbeiter. Er hat viele Jahre eine Einrichtung für Wohnungslose geleitet. Dort ist er auch Romano begegnet – und weiteren Menschen, die einen ungeraden Lebenslauf haben. Viele möchten und können arbeiten, finden aber selten eine Stelle. HEYHO bietet ihnen eine Chance.

Gegründet hat Buchholz HEYHO zusammen mit Timm Duffner und Christian Schmidt, die schon einmal bei der Eiscreme-Marke Ben & Jerry’s zusammengearbeitet hatten. Er erzählte ihnen von der Greystone Bakery in New York, die ehemalige Häftlinge beschäftigt. Diese Idee ließ das Trio nicht mehr los. Doch um Menschen zu beschäftigen, braucht es ein Unternehmen – und eine Geschäftsidee. Also gründeten sie eine Müsli-Rösterei. Ihr Motto: Wir stellen keine Menschen ein, um Hafer zu rösten, wir rösten Hafer, um Menschen einzustellen.

Auf Müsli setzten sie, weil hier vieles selbstgemacht werden kann. Das schafft Arbeitsplätze, und teure Maschinen sind zunächst nicht notwendig. Doch von allen Seiten schlug ihnen Skepsis entgegen: Ihre Ziele seien zu hochgesteckt, ihre Mitarbeiter nicht zuverlässig. Niemand wollte das Unternehmen finanzieren. Doch die Gründer ließen sich nicht entmutigen, liehen sich Startkapital und beauftragten ein befreundetes Grafikbüro mit der Erstellung eines auffälligen Designs.

Anfang 2017 begannen sie als Untermieter in der Mensa der Universität Lüneburg. Langsam aber stetig wuchs die Nachfrage und auch das Team. Im Jahr 2019 erfolgte der Umzug in die eigene Rösterei mit angeschlossenem Büro und ausreichend Lagerplatz.

Faire und umweltfreundliche Produkte

Müsli der Marke Heyho in verkaufsbereiten Glasbehältern

Das Müsli gibt es im Glas oder in Großpackungen, Unverpackt-Läden erhalten es in großen Pfandeimern.

Heute vertreibt HEYHO sechs handgemachte Sorten. Bis zu 300 Kilo werden täglich hergestellt. Die Zutaten sind vegan, biologisch erzeugt und kommen zum größten Teil aus der Region. Bei Schokolade, Kokosfett und Agavensirup achtet das Unternehmen auf faire Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern. Um wenig Abfall und Plastikmüll zu erzeugen, gibt es das Müsli im Glas oder in Großpackungen, Unverpackt-Läden werden mit großen Pfandeimern beliefert. Der gut laufende Online-Shop brachte HEYHO durch die schwierige Zeit der Corona-Pandemie.

Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht immer dieselbe Arbeit verrichten, werden sie nach dem Rotationsprinzip bei allen Produktionsschritten eingesetzt. Automatisiert ist bei HEYHO wenig – mit Absicht. „Schließlich sollen die Menschen etwas zu tun haben und nicht die Maschinen. Wir wachsen und werden mehr Geräte anschaffen, aber dies wird niemals ein Laden sein, in dem nur noch Knöpfe gedrückt werden“, sagt Christian Schmidt.

Teilhabe ohne Vorurteile

Eine Person mischt mit Gummihandschuhen Müsli in einem großen Behälter

In großen Stahlwannen wird zunächst ordentlich durchgemischt!

Patrick fühlt sich am wohlsten im Versand. Gewissenhaft packt er die Bestellungen und legt jedem Karton eine unterschriebene Karte bei. „Hier kann ich mein eigenes Ding machen, und ich finde, ich mache das auch ganz gut“, sagt er. Er galt als Arbeitssuchender mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“. „Heroin und alles, was knallt“ waren dreißig Jahre lang Teil seines Lebens. Die Substitution durch Methadon brachte die Wende, er holte den Hauptschul- und dann auch den Realschulabschluss nach, mit sehr guten Noten. Eine Arbeit fand er trotzdem nicht – bis das Jobcenter ihm HEYHO empfahl. „Es geht mir gut hier, ich merke das auch seelisch, man fühlt sich viel wertvoller“, sagt Patrick.

Geförderte Perspektiven

Eine Mitarbeiterin gießt Müsli aus einem Eimer in einen großen Behälter

Die Mischung aus Schokolade und Hafer wird nach der Röstung mit weiteren Zutaten verfeinert und kommt als „Late Night Breakfast“ ins Glas.

Die Arbeitsagentur bezuschusst im Rahmen des Teilhabechancengesetzes fünf Jahre lang die Lohnkosten für Mitarbeiter wie Patrick und Romano. „Das hilft natürlich“, sagt Christian Schmidt. Verständnis dafür, dass HEYHO unbefristet einstellt, gab es aber nicht. „Wir meinen es aber ernst mit den langfristigen Perspektiven. Jemanden zu entlassen, sobald die Förderungen wegfallen, ist nicht unser Ziel.“ Neben unbefristeten Verträgen gibt es den gleichen Stundenlohn für alle.

Insgesamt arbeiten 26 Menschen bei HEYHO, ein Drittel bringt eine besondere Biographie mit. „Natürlich gibt es auch Herausforderungen und Konflikte. Manche haben gute und schlechte Phasen, auch psychische Erkrankungen. Auch wir können sie nicht wegzaubern, aber wir können ein empathischer und guter Arbeitgeber sein, selbst wenn jemand nur vier Stunden pro Woche arbeiten kann“, betont Schmidt.

Ein Vorbild für viele

KfW Award Gründen

Der KfW Award Gründen zeichnet in jedem Jahr 16 Landessieger und einen Bundessieger für ihre Geschäftsideen aus.

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Unter Erfolg verstehen die Gründer nicht nur gute Geschäftszahlen, sondern die geschaffenen Möglichkeiten. Damit wollen sie auch andere Unternehmen inspirieren, auch die Betriebe, die kein Personal finden. „Es gibt genügend Menschen, die arbeiten wollen. Man muss sie nur lassen“, sagt Christian Schmidt.

Nach zwei Durchgängen im Röstofen wird es in der geschäftigen Halle leiser. Milad klappert in der Küche mit den Tellern. Er kocht jeden Tag für das gesamte Team. Und wenn die so unterschiedlichen Angestellten zusammen am Tisch sitzen, erscheint HEYHO gar nicht wie ein soziales Experiment – sondern wie eine sehr gute Idee.

Auf KfW Stories veröffentlicht am 28. Oktober 2021.