Nach jahrelangem Bau wurde im Sommer das neue Asyut-Stauwehr über den Nil in Ägypten eingeweiht. Rund 300 Millionen Euro hat die KfW für das Projekt zur Verfügung gestellt. Ein Mammutbau, der vor allem den Kleinbauern in der Region nützt. Die Wasserversorgung ihrer knappen Agrarflächen ist nun wieder gesichert.
Zur Person
Sebastian Jacobi arbeitet seit 2005 für die KfW. Nachdem er ein Jahr als Referent für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung tätig war, betreut er als Senior-Projektmanager seit Oktober 2017 wieder KfW-Projekte im Ausland.
Herr Jacobi, Mitte August hat der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi das Stauwehr Asyut eingeweiht. Die KfW hat sich im Auftrag der Bundesregierung an der Finanzierung dieses Wasserprojekts im Niltal mit rund 300 Millionen Euro beteiligt. Woraus besteht das Projekt im Einzelnen?
SEBASTIAN JACOBI: Mit den Mitteln wurde ein Stauwehr über den Nil gebaut, dessen Hauptnutzen die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen ist. Zudem entstand ein Wasserkraftwerk, das umweltfreundlichen Strom für 130.000 Haushalte produziert. Teil des Wehrs ist ebenfalls eine neue Doppelschleuse für den Schiffsverkehr. Darüber hinaus führt eine neue mehrspurige Straße über die 900 Meter lange Flussbarriere.
Welche ökonomische Bedeutung hat das Projekt in der Region um die 400 Kilometer südlich von Kairo gelegene Stadt Asyut?
Das Stauwehr versorgt den Ibrahimiyya-Kanal mit Wasser. Der 350 Kilometer lange Kanal zweigt oberhalb des Wehrs ab, verläuft parallel zum Nil und hat eine enorme Bedeutung für die Bewässerungslandwirtschaft in diesem Gebiet. Durch den Ibrahimiyya-Kanal fließt doppelt so viel Wasser wie beispielsweise durch den Main. Oder nehmen Sie einen anderen Vergleich: Der Kanal bewässert eine landwirtschaftliche Fläche, die dreimal so groß wie das Saarland ist.
Zahlen und Fakten
Erfahren Sie mehr über das neue Stauwehr über den Nil in unserem Video (KfW Bankengruppe/Ann-Kristin Emden).
Wem kommt diese Wasserversorgung vor allem zugute?
Das Asyut-Projekt sichert das Einkommen und schafft Beschäftigungsperspektiven für fünf Millionen überwiegend arme Menschen, die von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft leben. Sie bauen Weizen, Mais, Gemüse und Baumwolle an und sind Viehzüchter. Überwiegend versorgen sie damit sich und ihre Familien und produzieren für den lokalen Markt. Das Asyut-Projekt sichert ihr Einkommen, kann es aber auch noch steigern. Das ist wichtig, denn die Region ist von hohem Bevölkerungswachstum und Landflucht gekennzeichnet.
Ohne ausreichend Wasser würden die Menschen wegziehen?
Ja, denn das Wasser ist ihre Lebensgrundlage und sichert ihnen ihr Einkommen. Ohne Einkommensgrundlage wären sehr viele Menschen gezwungen wegzuziehen.
Müssen die Bauern für das Wasser bezahlen?
Nein, bis jetzt nicht, und das ist nicht unproblematisch. Da die Bauern das Wasser kostenlos bekommen, sind die Anreize gering, damit sparsamer umzugehen. Auf der anderen Seite ist Ägypten ein sehr trockenes Land und Wasser ein knappes Gut, deshalb muss das vorhandene Wasser besser genutzt werden. Auch dazu trägt das Stauwehr in Asyut bei.
Das Niltal zieht sich als schmales grünes Band durch den wüstenreichen Staat mit seinen 100 Millionen Einwohnern. Wie wichtig ist der längste Fluss der Welt für Ägypten?
Er ist die Lebensader des Landes. 95 Prozent der genutzten Wasserressourcen des Landes stammen vom Nil. Neben der Trinkwasserversorgung hängt auch die Bewässerungslandwirtschaft vollständig vom Nil ab, und die ist wiederum ein wichtiges Standbein der ägyptischen Wirtschaft.
Kann diese Form der Landwirtschaft auf Dauer funktionieren? Leiden die Äcker nicht unter der permanenten Bewässerung durch belastetes Flusswasser?
Die Belastung des Flusswassers ist weniger ein Problem. Die Böden leiden vielmehr dort unter Degradation und Versalzung, wo nach einer Bewässerung die entsprechende Entwässerung der Äcker nicht angemessen erfolgt. Wenn die Drainage richtig funktioniert, können die Äcker viel länger und öfter genutzt werden. In unseren Projekten finanzieren wir auch solche Entwässerungssysteme.
Die KfW hat derzeit in Ägypten rund 630 Millionen Euro in Wasserprojekte investiert. Welche Vorhaben sind das, abgesehen von dem Asyut-Projekt?
Wir finanzieren die Modernisierung der Bewässerungsinfrastruktur – das sind zum Beispiel Be- und Entwässerungskanäle und Pumpstationen – wie auch Projekte der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, also Wasserwerke, Trinkwassersysteme, Kläranlagen und Kanalnetze. Wir wollen damit dazu beitragen, dass das Wassermanagement in Ägypten qualitativ besser, nachhaltiger und effizienter wird.
Wie viele Ägypter haben an dem Asyut-Projekt mitgearbeitet?
Wir schätzen, dass in der Bauphase etwa 7.000 Jobs geschaffen wurden, vor allem im Bausektor, aber auch in der Metall- und Elektrobranche.
Gab es beim Asyut-Vorhaben besondere technische Herausforderungen?
Das Projekt war hochkomplex. Nur ein Beispiel: Während der Bauphase des Wehrs musste der Nil umgeleitet werden. Stellen Sie sich vor: Sie müssen also bei fließendem Nilwasser riesige Wände in den Grund rammen, um anschließend die Wehrbaustelle trocken pumpen zu können. Diese Aufgabe hat ein hochspezialisiertes Unternehmen aus Deutschland übernommen.
Wie lange wurde am Asyut-Projekt gebaut?
Die Bauphase betrug sechs Jahre. Und damit sind wir im Großen und Ganzen im geplanten Zeitrahmen geblieben, was für ein Projekt dieser Größe und Komplexität bemerkenswert ist, gerade auch wenn man es mit dem Fortschritt anderer Großprojekte in Deutschland vergleicht.
Und wie viele Menschen sind dauerhaft beim Betreiber von Wehr und Wasserkraftwerk angestellt?
Ungefähr 300 Personen.
Welche Rolle nimmt Ägypten innerhalb des Kontinents für die KfW ein?
Insgesamt finanziert die KfW im Auftrag der Bundesregierung in Ägypten Projekte in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro. Neben Wasserprojekten sind es vor allem Energieprojekte und Vorhaben zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung.
Hat der Fluss weiteres Potenzial für die Energiegewinnung durch Wasserkraft?
Für große Wasserkraftwerke ist das Potenzial so gut wie ausgereizt. Voraussetzung für ein Wasserkraftwerk ist ja ein gewisser Höhenunterschied. In Ägypten aber hat der Nil kaum Gefälle.
„95 Prozent der genutzten Wasserressourcen des Landes stammen vom Nil.“
In vier der zehn Anrainerstaaten wird der Nil bereits gestaut. Er ist ein politisch und ökonomisch umkämpfter Strom. Welche Probleme bereitet das Ägypten, dem Land am Unterlauf des Flusses?
In Ägypten mit seiner stetig steigenden Einwohnerzahl herrscht ohnehin Wasserknappheit. Der Klimawandel wird diese Situation noch verschärfen. Einige der geplanten Staudammprojekte am Oberlauf des Nils haben das Potenzial, die Lage weiter zu verschlechtern. Das kann zu Verteilungskonflikten führen.
Letztlich kann eine Lösung nur in einem Dialog der Anrainerstaaten gefunden werden. Darüber hinaus sind natürlich Maßnahmen zur effizienteren Nutzung des Wassers sinnvoll, was wir mit den von uns finanzierten Projekten unterstützen.
Die Wassermenge des Nils ist ein Parameter für die Leistungsfähigkeit der ägyptischen Wirtschaft?
Zumindest was die Bewässerungslandwirtschaft angeht. Sollten sich die Wasserressourcen verringern, ist diese davon sehr stark betroffen. Die ägyptische Landwirtschaft basiert fast ausschließlich auf Bewässerung.
Rund 300 Millionen Euro hat die KfW für das Asyut-Projekt als Darlehen zur Verfügung gestellt. Können Sie das Kapitalvolumen in Beziehung setzen zu anderen KfW-Investitionen?
Der Bau dieses Nilstauwehrs ist das größte einzeln stehende Wasserprojekt, das die KfW weltweit jemals finanziert hat.
Auf KfW Stories veröffentlicht am: Montag, 22. Oktober 2018
Zu diesen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen leistet das dargestellte Projekt einen Beitrag
Ziel 6: Wasser und Sanitärversorgung für alle
Ohne Wasser kein Leben! Wir benötigen es als Trinkwasser, aber auch in der Landwirtschaft, um Nahrungsmittel zu produzieren. Die Vereinten Nationen haben daher 2008 den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht anerkannt. Dennoch müssen 748 Millionen Menschen noch immer ohne sauberes Trinkwasser auskommen. Nach Schätzungen sterben deswegen an einem einzigen Tag weltweit 5.000 Kinder. 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sanitärer Grundversorgung. Quelle: www.17ziele.de
Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2015 die Agenda 2030. Ihr Herzstück ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). Unsere Welt soll sich in einen Ort verwandeln, an dem Menschen ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig in Frieden miteinander leben können.
Datenschutzgrundsätze
Wenn Sie auf eines der Icons der hier aufgeführten klicken, werden Ihre persönlichen Daten an das ausgewählte Netzwerk übertragen.
Datenschutzhinweise