Die Betreuung von Haustieren ist gefragter denn je. Doch die Covid-19-Pandemie trifft die Branche empfindlich. In Not ist auch das Gelsenkirchener Hundezentrum Canidos geraten. Mithilfe eines KfW-Darlehens hofft Betreiber Ralph Brandt, die schwierige Zeit zu überbrücken.
An einem warmen Tag Ende Mai steht Tierpsychologe Ralph Brandt (Bild oben) auf der umzäunten Wiese seines Bauernhofs und blickt ins Getümmel. Schwarze Labradore, Golden Retriever, ein eleganter Windhund, eine stämmige Bordeauxdogge, Mischlinge – über 30 Hunde toben hier herum, spielen, raufen, liegen dicht beieinander. In einer Zeit des Social Distancings eine fast beneidenswerte Szenerie. Doch keine Sorge, Hunde können das Coronavirus nicht übertragen. Darüber hat sich Ralph Brandt persönlich beim Robert-Koch-Institut informiert.
Brandt, kurze Haare, voller Bart, schwarzer Hoodie, hat den Hof im Gelsenkirchener Süden 2011 angemietet und 2018 gekauft und umgebaut. Heute beherbergt er Hundetagesstätte, Hundepension und Hundeschule. Auch wenn die anwesenden drei Dutzend Tiere nach einem Riesenrudel aussehen, für Brandt und sein Team ist das Minimalbetrieb. Seit im März hierzulande die Corona-Pandemie losgaloppierte, kommen viele Hundebesitzer nicht mehr. Für das Hundezentrum Canidos geht es um die Existenz.
Seit 2011 betreut Brandt die Hunde von Berufstätigen von morgens bis abends, seit 2015 hat er einen zweiten Standort in Dortmund. Bis zu 60 Hunde treffen sich an manchen Tagen im Hundezentrum Canidos. Über mangelnde Nachfrage kann sich Canidos in normalen Zeiten nicht beschweren. Die Zahl der Einpersonenhaushalte in Deutschland explodiert seit dem Mauerfall: heute sind es über 17 Millionen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Hundehalter nicht wesentlich ab. Immer mehr Menschen brauchen also jemanden, der sich während der Arbeitszeit um ihr Haustier kümmert. „Wenn es uns nicht gäbe, könnten nur noch Familien und Rentner Hunde halten“, bekräftigt Brandt.
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Aktuell ist die Hundetagesstätte von Ralph Brandt (r.) nur zu etwa 50 Prozent ausgelastet.
Der umfunktionierte Bauernhof ist der Höhepunkt seiner zweiten Karriere. Eigentlich kommt Brandt aus dem Rheinland, in Köln gründete und leitete er eine Firma für Unternehmenssoftware, war erfolgreich, aber auch gestresst, wie er sagt. Die Scheidung von seiner Frau stürzte ihn in eine Sinnkrise. „Ich fragte mich, ob ich weiterhin 16-Stunden-Tage im Büro mit Krawatte absolvieren wollte“, sagt er heute. Brandt verkaufte die Firma und wandte sich den Hunden zu. „Meine Ex-Frau wollte nie einen haben, aber jetzt kann ich mich ihnen ja widmen.“
„Insgesamt hat uns diese Krise schon jetzt um fünf Jahre zurückgeworfen.“
Das Hundezentrum hat Systemrelevanz
Die Betreuung von Hunden ist teilweise nicht weniger schwierig als die von Kindern. „Jeder neue Hund muss erst mal an die Gruppe herangeführt werden, dann gucken wir, ob das passt“, erklärt der Geschäftsführer, der sich zum Tierpsychologen ausbilden ließ. Dabei müsse man manchmal beinhart sein, er habe auch schon Kunden wieder zurückgerufen, bevor sie es auf die nahe gelegene A 42 schaffen konnten. Weil sich Brandt und seine Leute mehrere Stunden am Tag um die Hunde kümmern, kennen sie in der Tagesstätte jeden Gast mit Namen, haben zu den einzelnen Tieren ein enges Verhältnis. Über jedes gibt es eine Anekdote zu erzählen.
Umso schmerzlicher war es, als aufgrund der Corona-Pandemie viele regelmäßige Gäste plötzlich wegblieben. Nicht, weil Canidos schließen musste. Durch die gesamte Krise hindurch hatten sie geöffnet, die Stadt Gelsenkirchen bescheinigte dem Hundezentrum sogar Systemrelevanz. „Schließlich haben auch Ärzte, Pfleger und Verkäufer Hunde“, erklärt Brandt. Aber alle anderen behielten ihre Haustiere bei sich. Wer im Homeoffice sitzt, braucht keine Betreuung, ist im Zweifel sogar froh, wenn er mal zum Gassi gehen vor die Tür kommt. „Im März und April waren wir nie zu mehr als 60 Prozent ausgelastet“, berichtet Brandt.
Da halfen ihm auch die anderen Standbeine seines Zentrums nicht weiter, die er sich über die Jahre aufgebaut hat. Die Hundepension: zunächst geschlossen, nun – Stand Mai – leer, weil niemand in den Urlaub fährt. Die Hundeschule: ebenfalls erst geschlossen, nun immerhin mit Maske und Abstand für Frauchen und Herrchen wieder möglich. Entsprechend schickte er seine acht Mitarbeiter in Kurzarbeit. „Zunächst nur auf 50 Prozent, und auch entlassen musste ich keinen“, erläutert er. Doch ob das langfristig so bleiben kann, weiß er nicht.
Vieles steht und fällt mit dem Feriengeschäft. „Über Ostern gab es fast gar keine Buchungen in unserer Pension“, so Brandt. Sollte der Sommer ähnlich schlecht laufen, kommt wohl die gesamte Pension auf den Prüfstand. Pläne für einen dritten Standort haben sie bei Canidos erst einmal beerdigt. „Insgesamt hat uns diese Krise schon jetzt um fünf Jahre zurückgeworfen“, beklagt der Unternehmer. Und das in einem umkämpften Feld, die Konkurrenz unter den Betreuungsangeboten ist groß. Die einzig harte Währung in seiner Branche, weiß Brandt, sind Vertrauen und Mund-zu-Mund-Propaganda unter Hundebesitzern. Dieses Vertrauen erhält der Tierfreund. Sein auch in Corona-Zeiten zumindest teilweise gefüllter Hof spricht Bände.
Finanzspritze lindert die gröbste Not
Um die Geldsorgen kurzfristig zu mildern, hat sich Brandt um eine Finanzspritze bemüht. Der sogenannte Unternehmerkredit aus dem KfW-Portfolio der Corona-Hilfen soll mit 45.000 Euro die nächsten drei Monate überbrücken. Vermittler war die Stadtsparkasse Essen, bei der Brandt seit jeher Kunde ist. „So konnten wir die gröbsten Nöte lindern“, erklärt er. Zwar sind die Fixkosten etwas geringer, wenn keine Hunde da sind – auch weil die Kunden in der Regel das Futter für ihre Haustiere selbst mitbringen. Doch Mitarbeiter und Immobilien kosten weiter, entsprechend war der Kredit essenziell.
Die Beantragung sei glatt gelaufen, berichtet Hundefachmann Brandt: „Es war von Vorteil, dass ich langjährige Erfahrung als Unternehmer habe, deswegen waren meine Unterlagen gut sortiert.“ Das bestätigt Oliver Kirstein, Firmenkundenbetreuer bei der Sparkasse: „Herrn Brandt hätten wir sonst wohl mit unseren Hausmitteln geholfen, er weiß unternehmerisch und kaufmännisch genau, was er tut.“ Auch beim Kauf des Bauernhofs habe man ihn begleitet. „Da ist er als Unternehmer vorangegangen, dafür sollte er jetzt in der unverschuldeten Krise nicht bestraft werden“, sagt Kirstein. Tatsächlich war Ralph Brandts KfW-Kredit der erste, den die Essener Hausbank im Rahmen der Corona-Krise beantragte. „Die Zusammenarbeit mit der KfW war dabei sehr entspannt, innerhalb von 24 Stunden hatten wir eine Zusage“, berichtet Kirstein. Eine Blaupause für den weiteren Umgang mit den Krisenkrediten. Bis jetzt habe es bei keinem Antrag Probleme gegeben.
„Das hören wir natürlich gern“, freut sich Markus Merzbach von der KfW. „Es ist keineswegs selbstverständlich, dass bei der Geschwindigkeit, mit der die Corona-Hilfen der KfW entwickelt wurden, alles so reibungslos umgesetzt werden kann.“ Dies klappe nur, wenn alle Beteiligten – Unternehmer, durchleitende Hausbank und KfW – an einem Strang ziehen. Bis Anfang Juni, so Merzbach, habe die KfW etwa 58.000 Anträge quer durch alle Branchen erhalten.
Ob es mit dem Kredit getan ist, das wagt Ralph Brandt nicht zu prognostizieren. Zumindest die Hundetagesstätte komme gerade wieder in Gang, mittlerweile seien drei Viertel der Plätze regelmäßig belegt. „Die Tagesstätte macht rund 70 Prozent unseres Umsatzes aus, das ist also schon mal ein guter Schritt“, sagt er. Ende Juni beginnen in Nordrhein-Westfalen die Sommerferien. Erst dann können Brandt und sein Team einschätzen, wie es tatsächlich weitergehen wird.
Auf KfW Stories veröffentlicht am 23. Juni 2020.
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